Viel diskutiert und doch ungelöst: die mangelnde Präsenz von Frauen in Führungspositionen hat sich trotz der Frauenquote kaum verbessert (abgesehen davon, dass die Frauenquote selbst stark diskussionswürdiges Material bietet). In 105 von 160 deutschen Börsenunternehmen befindet sich immer noch keine einzige Frau im Vorstand. Dabei beginnt die Problematik nicht erst auf der Vorstandsebene, schon Nachwuchsführungspositionen werden hauptsächlich mit Männern besetzt – je höher die Ebene, desto geringer die Chance auf eine weibliche Chefin zu treffen. Eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation vom Mai dieses Jahres zeigt jedoch, dass sich Unternehmen mit diesem Vorgehen ins eigene Fleisch schneiden könnten.
Von den mehr als 12.000 befragten Unternehmen aus 70 Ländern gaben 57 Prozent an, dass Gender Diversity ihre Geschäftsentwicklung belebe und positiv beeinflusse. Das beweisen auch die Zahlen: Knapp Zwei Drittel der Unternehmen, die die firmeninterne Geschlechtervielfalt aktiv kontrollieren und überwachen, konnten ihre Gewinne um fünf bis 20 Prozent erhöhen. Vor allem in den Bereichen Kreativität, Innovation und unternehmerischer Offenheit seien Steigerungen zu verzeichnen. Wenn Unternehmer nun nicht mehr das Argument der „Profitsteigerung“ gegen die Einstellung von Frauen in Führungspositionen erheben können, welche Gründe bleiben noch? Warum sind Frauen in Chefetagen eher in den Vorzimmern zu finden, als auf den Chefsesseln?
Immerhin, ein „Lichtblick“ ist zu verzeichnen: in etwa 160 börsennotierten deutschen Unternehmen beträgt der Frauenanteil in den Kontrollgremien im Durchschnitt nun 30 Prozent. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation ist ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis bei einem Anteil von 40 bis 60 Prozent des jeweiligen Geschlechts erreicht. In manchen Unternehmen fehlt also nicht mehr viel, während andere Aufsichtsräte, wie die von Zalando, Freenet oder Xing, sich bewusst das Ziel von „Null Frauen“ im Vorstand setzen. Sie haben richtig gelesen, „Zalando“ ist kein Wortfehler. Das Unternehmen, welches ohne seine weibliche Zielgruppe kaum überleben würde, schließt eben diese in der Führungsebene aus – um profitabler zu sein? Wer könnte besser wissen, was Frauen wollen, als eine Frau?
Für die Direktorin des ILO-Büros, Deborah France-Massin, ist das Fazit der Studie klar: Wenn Unternehmen in der globalen Wirtschaft erfolgreich sein wollen, sollten Sie Geschlechter-Diversität als Schlüsselfaktor ihrer Geschäftsstrategie nutzen. Geschlechtervielfalt bedeutet eine bessere Außenwirkung des Unternehmens, eine bessere Ansprache weiblicher Kunden und Wettbewerbsvorteile durch vielfältige Perspektiven. Besonders in den heutigen Zeiten des Fachkräftemangels würde der Pool an qualifizierten Frauen nicht ausreichend ausgeschöpft werden. Trotz der entmutigenden Aussichten sollte man als Frau nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern umso mehr um die berechtigte Position in Führungsebenen kämpfen und sich bewerben. Sheryl Sandberg, die COO von Facebook, und Angela Merkel haben es vorgemacht: Frauen in Führungspositionen sind keine Utopie.